Im Februar 2018
Kantonswahlen sind zum Gähnen. Nur ein Drittel geht wählen. Weil es um nichts geht? Stimmt das?
Der Kanton Bern hat Napoleon erlitten, eine kleine bürgerliche Revolution gegen das alte Bern zustande gebracht, zwei Weltkriege überstanden. Rudolf Hafner deckte 1984 den
Finanzskandal auf und einige Jahre später ging die Kantonalbank fast in die Knie. Seither wurstelt sich dieser Kanton durch. Man nimmt Bern nicht ernst, weil das Bauern- und Beamtenland ist und am Tropf des Finanzausgleichs hängt. Er entwickelt sich untermässig und gilt als Sorgenkind der Ökonomen und der Publizisten (fast immer Männer).
Zehn Jahre rot-grüne Mehrheit im Regierungsrat rieben sich weitgehend an der bürgerlichen Phalanx auf. Kleine Fortschritte sind zu erwähnen, trotz allem. Aber halt doch kein «grosser Sprung nach vorn». Gibt es also keine wichtigen Geschichten, die aus diesem Kanton zu erzählen wären, keine Ambitionen in keine Richtung? Kein Grund zum Wählen?
Schauen wir unsere Lebenswelt an. Fast alle öffentlichen Dienstleistungen werden auf kantonaler Ebene strukturiert und entschieden. Zentral sind die drei Bereiche Bildung, Gesundheit, Soziale Sicherheit. Sie machen rund zwei Drittel der Ausgaben des Kantons – und sie werden wie alle anderen Bereiche auch von der bürgerlichen Mehrheit über Budgetentscheide gesteuert. Schulen und Hochschulen, Spitäler und Heime sowie die Sozialhilfe sind abhängig von vier Reihen SVP-Bauern, die immer den «richtigen» Knopf drücken. Unsere städtischen Bedürfnisse und Forderungen prallen dort ab wie in einer Gummizelle. Die vier Reihen Bauern haben keine Mühe, die Sozialhilfe um acht Prozent zu reduzieren (obwohl sie selber auch am Tropf der öffentlichen Finanzen hängen) oder ein Sparpaket durchzuwinken, welches die Bildung, die Heime und die Spitex trifft.
Diese Mehrheit macht dem Kanton Bern zu schaffen. Wir müssen daran arbeiten, die vier Reihen Bauern im Rathaus weg zu wählen. Die Mehrheitsverhältnisse in der Stadt Bern sind nicht das Problem. Aber auf dem Land und in der Agglomeration müssen wir die Mehrheiten ändern, sonst ändert sich nichts im Kanton Bern – nicht in der Bildung, nicht im Gesundheitswesen und schon gar nicht bei der Sozialhilfe.
Johannes Wartenweiler, Grossratskandidat