für alle statt für wenige

Johannes Wartenweiler: Lehren für den öffentlichen Wohnungsbau ziehen


Im Mai 2022

In den letzten Tagen steckt eine kleine Tanne am Gerüst des Neubaus am Centralweg in der Lorraine. Der Rohbau des städtischen Mehrfamilienhaus ist fertiggestellt. Nun geht es an den Innenausbau. Bis Ende Jahr sollte das Gebäude mit 13 Wohnungen bezugsbereit sein.

Das Haus, das sich vor unseren Augen blitzartig entwickelt, hat eine lange und mühsame Vorgeschichte. Das Grundstück war eine der letzten Brachen in der Lorraine und es sollte schon seit Jahren überbaut werden. Den Architekturwettbewerb gewann 2011 ein Projekt mit der Namen «Baumzimmer», benannt nach den freistehend hingestellten Balkone. Allerdings war dieses Projekt Schnickschnack und nicht ohne Näherbaurecht zu realisieren. Dies allerdings verweigerte der Nachbar, der mit der Stadt seit Jahr und Tag in Fehde liegt. Die Mieten um die Variante ohne Baumzimmer wollte der Wohnbaufonds mit einem Beitrag aus einem speziellen Fonds zusätzlich vergünstigen. Dies scheiterte 2013 an der «Marktlogik» einer Mehrheit im Stadtrat. Nun trat der Quartierverein VLL unterstützt von der SP Bern-Nord auf den Plan und machte gegen dieses überteuerte Projekt Einsprache. Wegen der Einsprache kam das Projekt auf die lange Bank. 2016 wurde der verantwortliche Gemeinderat abgewählt.

Unser Genosse Michael Aebersold übernahm das Amt und das Projekt. 2020 konnte er dem Stadtrat eine abgespeckte Version mit tragbaren Mieten vorlegen. Weil die Lorraine als Hotspot der sozialen Aufwertung (Gentrifzierung) unter steigenden Mieten leidet, beschloss der Stadtrat dann noch, dass die Hälfte der insgesamt 13 Wohnungen zu besonders günstigen Konditionen zu vermieten seien (sogenannte GüWR-Wohnungen).

Dem Projekt, das nun vor der Vollendung steht, werden die Irrungen und Wirrungen vor Baubeginn hoffentlich nicht mehr anzusehen sein. Es ist aber folgende Lehre zu ziehen: Wenn die Stadt oder Gemeinnützige auf städtischem Boden bauen, muss festlegt werden, wie teuer gebaut werden darf. Mit den Erfahrungen vom Centralweg im Hinterkopf müssen nun auch auf dem Viererfeld und im Gaswerkareal Nägel mit Köpfen gemacht werden. Sonst wird das nichts mit dem günstigen Wohnungsbau.

Johannes Wartenweiler, Stadtrat